Marcel Broodthaers, 1924 in Brüssel geboren, veröffentlichte erstmals 1945 in der Tradition von Symbolismus und Surrealismus stehende Gedichte. Bis zu seinem 40 Lebensjahr als Dichter, Essayist und Filmer tätig, wandte er sich ab 1964 von der „brotlosen“ Poesie ab und wechselte in das Feld der bildenden Kunst, indem er 50 Exemplare seines Gedichtbandes Pense-Bête in Gips goss und als Kunstobjekt ausstellte. Broodthaers starb 1976 in Köln. Ihm wurden zahlreiche Einzelausstellungen in wichtigen internationalen Museen gewidmet, u. a. in der Fundación Antoni Tàpies, Barcelona (1997), im Stedeljik Van Abbemuseum, Eindhoven (1995), am Jeu de Paume, Paris (1991), und der Tate Gallery, London (1980), außerdem war er auf der documenta 5 (1972), 6 (1977), 7 (1982) und X (1997) vertreten. Er verstab 1976 in Köln.
Broodthaers gilt als einer der wichtigsten Künstler des 20. Jahrhunderts, dessen Werk bis heute Anknüpfungspunkte für zahlreiche Künstlerkolleg_innen bietet. Für ihn selbst waren Stéphane Mallarmé und René Magritte, den er auch persönlich kannte, Schlüsselfiguren. Mallarmés Gedicht Un Coup de dés jamais n’abolira pas le hasard mit seiner Aufhebung eines klaren Sinnzusammenhangs und Magrittes Beschäftigung mit Sprache und Abbild als Zeichen, die in einem disputablen Verhältnis zur außersprachlichen Wirklichkeit stehen, wie er dies in seinem berühmten Bild Ceci n’est pas une pipe (Dies ist keine Pfeife) demonstrierte, wurden für Broodthaers zum Ausgangspunkt seines eigenen künstlerischen Schaffens. Indem er Wörter oder Buchstaben isoliert, sie aus ihrem semantischen Zusammenhang löst und neu kombiniert, behandelt er Schrift als Bild und zielt darauf ab, ihre konventionelle Bedeutung und damit das rationale Verständnis außer Kraft zu setzen. Broodthaers Werk widmet sich generell der Befragung der Wissenssysteme westlicher, neuzeitlicher Kultur. Er machte den gesamten Kunstbetrieb zum Gegenstand seiner künstlerischen Arbeit und kann damit als Wegbereiter der Institutionskritik gesehen werden. Mit seinem 1968 in seiner Brüsseler Wohnung gegründeten, fiktiven Muséé d’Art Moderne, Départment des Aigles (Museum für Moderne Kunst, Abteilung der Adler) stellte er den Anspruch der „wirklichen“ Museen auf die Macht zu definieren was Kunst sei in Frage. Sein „Museum“ manifestierte sich bis 1972 in der Organisation von mehreren fiktiven Abteilungen an verschiedenen Orten. Broodthaers beleuchtete die spezifischen Konventionen des Kunstbetriebs und hinterfragte die Praxis, Gegenstände, indem man sie öffentlich ausstellt und mit Wandschildern versieht, als Kunstwerke zu deklarieren. Broodthaers‘ „Museum“ wollte Kunst, aber keine Kunstwerke beherbergen und stellte folglich die gesellschaftliche Rolle der Kunstinstitutionen in Frage, die Werke zu Wertobjekten für die kapitalistische Wertschöpfungsmaschinerie transformieren. Die Reduktion der Dinge auf ihren Tauschwert, der Künstler als Marke, der Umgang mit Original und Kopie sind Themen, mit denen sich der Künstler intensiv auseinandersetzte. Zusätzlich befasste er sich mit Problematiken der Kolonialisierung und des Exotismus. Sein umfangreiches Werk, das verschiedenste Medien (Filme, Diaprojektionen, Objekte, Grafiken, Fotografien, Künstlerbücher) umfasst, entwickelt dabei vielfältige Bezüge zu zahlreichen weiteren Künstler_innen, Literat_innen und Philosoph_innen, wie zum Beispiel Duchamp, Baudelaire und Foucault.
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